Friday, June 23, 2006

Rudy Van Gelder - The Genius Of Recording

Der Sound von Rudy Van Gelder ist Jazz Geschichte, seine Arbeitsweise legendär und sein Ansehen sowohl bei Musikern als auch bei Plattenbossen verblüffend. Die Geschichte des Mannes, der es schaffte, den Jazz zu verändern, ohne dabei selbst je ein Instrument in die Hand genommen zu haben.

Rudy Van Gelder. Dieser Name steht für die Geschichte und den Sound des Jazz. Er veränderte alles alleine mit seiner Arbeit, und obwohl er kein Instrument spielte war er erfolgreich. Doch wer ist dieser sonderbare Mann, der bei so vielen Plattenaufnahmen unabhängiger, kleiner Jazzlabels als Toningenieur zu finden ist? Wie arbeitete er? Unter Musikern und Produzenten kursieren Geschichten, die dem neugierigen Publikum von einem brilletragenden Herrn berichten, der mit pingeliger Sorgfalt zu Werke ging. Doch wer war Van Gelder wirklich?

In der Jazzszene hat der Name Rudy Van Gelder heute grade zu einen mythische Beiklang. Er ist eines der wenigen Nichtmusiker, dessen Beitrag über ein halbes Jahrhundert hinweg dem der Künstler in nichts nachsteht. Als bedeutendster Selbstständiger in der Jazzmusik hat er den Sound nicht nur eines, sondern gleich einer ganzen Reihe bedeutender Plattenlabels - allen voran Blue Note Records, Prestige Records und Impulse Records - zu definieren vermocht. Ganz alleine und aus dem nichts heraus schuf er eines der wichtigsten Studios für diese Musikrichtung und verschaffte den kleinen Städten Hackensack (seinem ersten Wohnort, bis er umzog) und Englewood Cliffs in New Jersey einen Namen auf der Jazzlandkarte.




Doch angefangen hatte alles ganz anders. Geboren am 2. November 1924 in Jersey City, New Jersey zeigte Van Gelder schon als Teenager Interesse an der Aufnahmetechnik, ließ sich in seiner Schulzeit jedoch zunächst als Augenoptiker ausbilden. Nach der Schulzeit führte er dies dann auch fort. Er besaß einen kleinen Optikerladen in New Jersey Teaneck, nicht weit entfernt von seinem eigentlichen Wohnort Hackensack, wo er im Haus seiner Eltern wohnte. Dort fing alles mit der Leidenschaft zur Jazzmusik und zur Tontechnik an. Mit ein paar Musikerfreunden veranstaltete er zu Hause bei sich kleine Jamsessions, die er aufnahm und langsam seinen eigenen Ton und Sound schuf. Der Ort des Geschehens war damals noch das Wohnzimmer des Hauses.

Doch mit zunehmender Popularität verbreitete sich der Ruf Van Gelders blitze schnell. Schon bald war Van Gelder eines der begehrtesten Tontechniker und Ingenieure in der New Yorker Jazzszene und viele Musiker scheuten es nicht den etwas weiteren Weg in die Pampa New Jerseys hinzunehmen, um mit Van Gelder arbeiten zu können. So nahm Van Gelder schon bald nicht mehr nur für gute Freunde auf sondern wurde von Plattenlabels wie Blue Note Records oder Prestige Records für Plattensessions unter Vertrag genommen und arbeitete mit den größten Musikern des Modern Jazz zusammen: Pianist Thelonious Monk, Saxophonist Sonny Rollins und John Coltrane, Posaunist J.J. Johnson oder Trompeter Miles Davis - alles liebten den Sound und die Arbeitsweise Van Gelders und kamen für Aufnahmen immer wieder zu „Rudy“, wie sie ihn nur nannten.

Dabei änderte sich jedoch nicht das Umfeld der Aufnahmen und so war Van Gelder mangels Geld immer noch angewiesen im eigenen Wohnzimmer im Haus seiner Eltern aufzunehmen. Viele Bilder des Fotographen Francis Wolff, einem Mitgründer des legendärem Blue Note Labels, zeigen bei den Aufnahmesitzungen in Van Gelders kleinem Studio Stehlampen, Rollos oder Wandschränke und ließ diese wie selbstverständliche Accessoires eines Studiotermins erscheinen.




Doch damit stiegen auch langsam die Probleme im Jahre 1957 und Van Gelder wurde mit wachsenden Sorgen geplagt. Seit nunmehr zehn Jahren hatte er nun erlebt, wie sich sein angefangenes Hobby allmählich zum zweiten Beruf entwickelt hatte. Weiterhin studierte und praktizierte er tagsüber als Augenoptiker, doch immer öfters war er im Wohnzimmer bei sich zu Hause zu finden, damit beschäftigt, Mikrophone zu platzieren und Drehregler zu bedienen. Den einen Tag machte er Augenuntersuchungen in seinem Laden in Teaneck, am nächsten Tag nahm er schon wieder Musiker wie Miles Davis auf.

Immer mehr fehlte Van Gelder von nun an die Zeit für seinen eigentlichen Beruf und auch sein Studio stieß bald an die Grenze von Kapazität, Verfügbarkeit und der Räumlichkeit. Da er immer noch im Haus seiner Eltern wohnte war es schwierig sein Hobby mit seinem Alltagsleben zu verbinden und die Anfragen der Musiker zu bewältigen, die Tagtäglich vor seinem Haus standen und Aufnahmen machen wollten. So stieg der Druck auf Van Gelder selbst immer mehr und so musste er handeln und sich ein eigenes und vor allem größeres Haus kaufen, wo er ein größeres Studio einrichten konnte.

Nachdem er sich daraufhin ein Grundstück in Englewood Cliffs, einer Stadt, die ebenfalls in New Jersey, nur eine knappe Viertelstunde Fahrtzeit von Hackensack entfernt, gefunden hatte ließ er sich nach seinen Vorstellungen Pläne für ein Haus mit angeschlossenem Aufnahmestudio entwerfen. Das Äußere des Gebäudes erinnerte ein wenig an den nordischen Baustil, denn das auffälligste Merkmal war ein großes, auf der Nordseite des Hauses tief nach unten gezogenes Dach von beinahe 15 Meter Höhe. Van Gelder hatte alles ganz genau berechnet und hatte die Deckenhöhe und die Breite des Hauses genau so abgemessen, dass ein umwerfender Sound im Inneren des Studios entstand. Besucher, die dieses neue Studio zum ersten Mal betraten waren verblüfft von der Akustik und der pyramidenförmigen Decke dieses Hauses. An der Südseite hatte Van Gelder einen kleinen Kontrollraum eingerichtet, in dem hinter einer großen Glasscheibe genug Platz für die nötigen Gerätschaften wie dem Aufnahme- und den Steuergeräten und für ihn selbst war.

Um die angenehme Atmosphäre des Aufnahmeraums noch einmal zu steigern und zu verstärken stellte Van Gelder rund um den Bereich, wo die Musiker spielten Topfpflanzen hin und entschied sich beim Bau des Hauses für ein Licht, dass einen warmes Ambiente ausstrahlte. Manchmal dimmt er das Licht auch gänzlich, um die Atmosphäre im Aufnahmeraum für die Musiker zu verändern und um die Musik auf ein neues Level zu führen.

Hier nahm Van Gelder dann im Jahre 1959 den Betrieb auf und zog mit seiner Ehefrau und der Ausrüstung des alten Tonstudios in die neuen Räumlichkeiten. Er widmete sich von nun an vollkommen dem neu entstandenen Beruf und hatte von Morgens bis Abends, die ganze Woche lang mit Ausnahme des Sonntags, Plattenaufnahmen für die verschiedensten Labels, doch weiterhin blieb Van Gelder unabhängig und band sich nie fest an ein bestimmtes Label, wodurch Van Gelder noch gefragter von den verschiedensten Labels der Jazzwelt gefragt war.

Eine weitere große Neuerung des neuen Studios war außerdem, dass nun viel mehr Musiker auf einmal aufgenommen werden konnten. Zuvor konnte nur eine beschauliche Menge an Musikern bei den Aufnahmeterminen Van Gelders teilnehmen, meistens Gruppen die sich in der Größe von Trios und Septetten bewegten, doch nun bot das neue Studio genug Platz für ein gesamtes Orchester. Mit dem neuen Studio stieg auch die Wichtigkeit Van Gelders für die Musiker als auch für die Plattenproduzenten.




Doch wie kann man die Arbeitsweise Van Gelders beschreiben oder in Worte fassen?

Van Gelders Arbeitsweise war für viele Musiker ein Phänomen. Er war immer perfekt vorbereitet und als die Musiker das Studio betraten war Van Gelder meistens schon in den Startlöchern, hatte alle Mikrophone, abgestimmt auf jeden einzelnen Musiker im Raum verteilt und sich schon ausgiebig mit der Anordnung der Instrumente im Raum beschäftigt. Er trug dabei bei der Arbeit immer Handschuhe und verbot das Essen, Trinken und Rauchen im Aufnahmeraum gänzlich. Um seiner Arbeit keinen Einblick gewähren zu lassen, entfernte er immer absichtlich die Markennamen von seinen Aufnahmegeräten. All das war die Besonderheit an Van Gelders Arbeitsweise: Geheimnisvoll, jedoch präzise und immer darauf aus, den einzelnen Musiker so lebendig wie möglich einzufangen.

Was dabei Van Gelders Markenzeichen war, war sein Piano-Sound. Er platzierte das Klavier bei den meisten seiner Sessions direkt in der Raummitte und erreichte somit, dass das Klavier die Band trug, in dem die Akkorde klar definiert waren und den Akustik und Lautstärke der Instrumente abgestimmt waren. Dabei unterschied sich Van Gelder jedoch grundlegend von anderen Tontechnikern dieser Zeit, denn anders als viele platzierte er das Schlagzeug nie weit weg von der Band, sondern bezog es manchmal sogar direkt in den Mittelpunkt mit ein – wie bei vielen Sessions vom Schlagzeuger Art Blakey.

Ein weiteres Markenzeichen war, dass Rudy Van Gelder sparsam mit den Mikrophonen umging und nur so viele benutze, wie auch letztendlich nötig waren. Mit wenig Halleffekten im Raum erzielte er außerdem eine ausgewogene Balance von Musik und Raumklang. Van Gelders Methoden waren schon damals revolutionär und sind es zum Teil auch heute noch.

Die fruchtbarste Zusammenarbeit mit einem Label entstand im Jahre 1953 durch das Aufeinander Treffen Van Gelders mit den Beiden Besitzern des New Yorker Jazzlabels Blue Note, Alfred Lion und Francis Wolff. 1953 machte sie der Baritonsaxophonist Gil Melle, selbst Musiker und außerdem noch Designer bei Blue Note, gemeinsam durch Mitschnitte von Van Gelder Lion und Wolff auf die einzigartigen Qualitäten des Toningenieurs aus dem Fernen New Jersey aufmerksam. Als eine der wenigen Plattenbesitzer war Alfred Lion nämlich auch bereit, für Probetermine Gagen an die Musiker zu zahlen, weshalb die Musiker entspannt und besser vorbereitet das Aufnahmestudio betreten konnten und damit die Arbeit im Studio um ein Vielfaches erleichterten.

Die Liste der legendären Platten, die durch Van Gelders Arbeit entstanden ist sehr lang und geht über Art Blakey, John Coltrane, Miles Davis, Hank Mobley, Thelonious Monk und Horace Silver. So entstanden in den Fünfziger Jahren in Van Gelders Studio legendäre Aufnahmen wie John Coltrane’s Album „Blue Train“ und Art Blakey's Album "Moanin'" bei Blue Note Records, oder auch Miles Davis’ Alben für Prestige Records wie „Walkin’“ oder „Cookin’“, Relaxin’“, „Steamin’“ und „Workin’“ und in den Sechziger Jahren Platten wie John Coltrane’s Meilenstein „A Love Supreme“ für Impulse Records. Thelonious Monk fand mal eine besondere Homage an Van Gelder, als er eines seiner Stücke, die er Mitte der Fünfziger Jahre schrieb, "Hackensack" nannte, dem Ort des ersten Studios von Van Gelder.


Bis heute lebt Rudy Van Gelder in Englewood Cliffs, New Jersey, im selben Haus und Studio, in dem er ab Ende der Fünfziger Jahre anfing, Platten für viele unabhängige Plattenfirmen aufzunehmen. Auch heute ist er noch als Toningenieur tätig und erfreut sich noch heute einer hoher Beliebtheit Jazzfans, die reihenweise die von Van Gelders neu im 24-Bit Format remasterten Alben des Labels Blue Note kaufen (der RVG Serie bei Blue Note Records) und sich noch immer an diesem einzigartigen Klang erfreuen. Sie bieten zudem auch noch viele Alternate Takes und Bonusmaterial, was sie zu einem weiteren Testament Van Gelders machen.


Heutige Tontechniker loben Rudy Van Gelders Arbeit noch immer in hohen Tönen und heben dabei insbesondere immer wieder seine Fähigkeiten hervor, den Klang der Musiker so authentisch wie möglich zu gestalten. Gleich wie viele Mikrophone er nun benutze, welche Geräte und welche Anordnung er im Raum vorsah, den Beweis für seinen Beitrag zum Jazz liefert die unverbrauchte Klangfrische, die auch noch 40 Jahre nach Entstehen der meisten Aufnahmen in den Fünfzigern und Sechzigern bis heute vorhanden ist. Der Sound spricht für Van Gelders gewissenhafte Arbeit und der Respekt, den er vor den Musikern gewonnen hat zeigt seine Besonderheit in dieser Rubrik. Van Gelder war ein Genie und ist auch heute noch eins, und so lange er noch lebt, wird er den Jazz immer wieder um was Neues bereichern, ob es neue Aufnahmen sind oder alte Schätze, die er erst nach und nach aus den Schränken berühmter Plattfirmen wie Blue Note findet. Rudy Van Gelders Beitrag zum Jazz wird auch die nächsten 100 Jahre noch viele Menschen die aufregendste Zeit des Jazz so gut wie möglich nahe bringen.

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